Elfriede Maria Dießl

Steuerberaterin

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22.07.2019

Zuwendung einer „Sensibilisierungswoche“ als Arbeitslohn

EStG § ESTG § 8 Abs. ESTG § 8 Absatz 2 S. 1, § ESTG § 19 Abs. ESTG § 19 Absatz 1 S. 1 Nr. ESTG § 19 Absatz 2 Nummer 1, S. 2

Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Arbeitnehmer und zur betrieblichen Gesundheitsförderung können zu steuerbarem Arbeitslohn führen, wenn sich die Vorteile bei objektiver Würdigung aller Umstände als Entlohnung und nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen.

BFH, Urt. v. 21.11.2018 – VI R 10/17

Sachverhalt

Die Klägerin (Kl.) bot für ihre Arbeitnehmer ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Kenntnisse über einen gesunden Lebensstil an. Diese angebotene sog. Sensibilisierungswoche umfasste ua Kurse zu gesunder Ernährung und Bewegung, Körperwahrnehmung, Stressbewältigung, Herz-Kreislauf-Training, Achtsamkeit, Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit. Die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche stand allen Arbeitnehmern der Kl. offen, eine Verpflichtung zur Teilnahme bestand aber nicht. Die Kosten iHv ca. 1.300 € pro teilnehmenden Arbeitnehmer übernahm die Kl. Die Fahrtkosten hatten die Teilnehmer selbst zu tragen und mussten für die Dauer des Seminars Urlaubstage oder Zeitguthaben aufwenden. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung ging das FA davon aus, dass die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche einen Sachbezug darstellt und nahm die Kl. durch Nachforderungsbescheid wegen nicht eingehaltener Lohnsteuer in Anspruch. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Kl. als unbegründet zurück. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehörten gemäß § ESTG § 19 Abs. ESTG § 19 Absatz 1 S. 1 Nr. ESTG § 19 Absatz 1 Nummer 1 EStG neben Löhnen und Gehältern auch andere Bezüge und Vorteile, welche im Rahmen des Dienstverhältnisses gewährt werden. Vorteile gälten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst seien. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis liege vor, wenn sich die Vorteilsgewährung als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers darstellt. Dagegen sei eine Vorteilsgewährung nicht als Arbeitslohn anzusehen, wenn sie im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werde. Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung seiner Arbeitnehmer seien nach denselben Grundsätzen zu prüfen. Grundsätzlich sei zwar eine gesunde, leistungsbereite und leistungsfähige Arbeitnehmerschaft auch im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Dies schließe jedoch nicht von vornherein aus, eine Zuwendung des Arbeitgebers zur Gesundheitsförderung als Arbeitslohn zu qualifizieren. Im Streitfall seien die Aufwendungen der Kl. für die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche als Arbeitslohn zu qualifizieren, denn bei dieser habe es sich um eine gesundheitspräventive Maßnahme, die keinen Bezug zu berufsbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweise, gehandelt. Die Sensibilisierungswoche habe nach dem Wochenplan den teilnehmenden Arbeitnehmern insbesondere Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil vermittelt und Themen wie Burn-Out, Stressbewältigung und die Erkennung eigener Defizite behandelt. Durch die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche habe die Kl. ihren Arbeitnehmern Vorteile gewährt, die in den Bereich von deren privater Lebensführung fielen und daher zu einer privaten Bereicherung der teilnehmenden Arbeitnehmer geführt hätten. Die Zuwendung der Sensibilisierungswoche sei damit im weitesten Sinne als Gegenleistung der Kl. an die teilnehmenden Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen von deren individuellen Arbeitskraft zu beurteilen. Revisionsrechtlich sei die Verneinung des überwiegend eigenbetrieblichen Interesses durch das FG nicht zu beanstanden, da die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche freiwillig gewesen sei und die Teilnahme nicht als Arbeitszeit gezählt habe. Gegen ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der Kl. spreche auch, dass die Arbeitnehmer Urlaubstage oder Zeitguthaben aufwenden mussten, um an der Sensibilisierungswoche teilnehmen zu können.

Praxishinweis

Mit der Besprechungsentscheidung stellt der BFH klar, dass Maßnahmen des Arbeitgebers für die Gesundheitsvorsorge der Belegschaft zu Arbeitslohn führen, wenn diese keinen Bezug zu berufsspezifischen Gesundheitsbeeinträchtigungen aufweisen. Maßnahmen zur Vermeidung berufsspezifischer Erkrankungen liegen dagegen ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und sind aufgrund dessen nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren.

Leistungen des Arbeitgebers zur Verhinderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben sind nach § ESTG § 3 Nr. ESTG § 3 Nummer 34 EStG bis zu einem Freibetrag von 500 € pro Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei. Voraussetzung für eine Steuerbefreiung ist, dass die vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen hinsichtlich der Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ SGB_V § 20 und SGB_V § 20b SGB V genügen