Elfriede Maria Dießl

Steuerberaterin

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22.07.2019

Tangotanz ist keine umsatzsteuerfreie Leistung

UStG § USTG § 4 Nr. USTG § 4 Nummer 21, USTG § 22; MwStSystRL Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. Buchst. i u. j

Die bei einem Tangotanzkurs erbrachten Leistungen sind nur umsatzsteuerfrei, wenn es der Kurs zumindest einzelnen Teilnehmern ermöglicht, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung auch beruflich zu nutzen.

BFH, Urt. v. 24.1.2019 – V R 66/17, NV

Sachverhalt

Die Kl. erteilte als selbständige Tanzlehrerin Tangounterricht an einer Volkshochschule. Das FA verneinte eine Erbringung umsatzsteuerfreier Leistungen iSv § USTG § 4 Nr. USTG § 4 Nummer 21 UStG. Das FG gab der anschließenden Klage unter Verweis auf Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL statt. Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision.

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet. Das FG habe die rechtlichen Maßstäbe verkannt, die an den Schulunterricht zu stellen seien, den ein Privatlehrer nach der Richtlinie steuerfrei erteilen könne. Es griffen auch keine anderen Befreiungstatbestände. Steuerfrei seien nach Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL die Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht sowie auf jegliche Art von Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben, bezögen (EuGH v. 28.1.2010 – EUGH Aktenzeichen C47308 C-473/08, DStR 2010, DSTR Jahr 2010 Seite 218 Rn. DSTR Jahr 2010 Seite 218 Randnummer 29Eulitz, Bespr. Korn SteuK 2010, STEUK Jahr 2010 Seite 126). Kurse, die sich allgemein an am Tanz interessierte Menschen richteten, seien von ihrer Zielsetzung her auf reine Freizeitgestaltungen ausgerichtet. Ermögliche ein Kurs demgegenüber einem Teilnehmer, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung später beruflich zu nutzen, genüge dies für die Steuerfreiheit selbst dann, wenn hiervon nur wenige Teilnehmer Gebrauch machten (BFH v. 24.1.2008 – BFH Aktenzeichen VR305 V R 3/05, DStR 2008, DSTR Jahr 2008 Seite 919). Die bei einem Tangotanzkurs erbrachten Leistungen könnten nur dann steuerfrei sein, wenn es der Kurs zumindest einzelnen Teilnehmern ermögliche, die dort erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung auch beruflich nutzen zu können. Dies treffe nach den Verhältnissen des Streitfalls auf die von der Kl. erbrachten Leistungen nicht zu. Eine Steuerfreiheit in Hinblick auf eine künftige Berufsausübung komme nur in Betracht, wenn tatsächlich eine realistische Möglichkeit bestanden habe, die erlangten Kenntnisse für eine berufliche Tätigkeit zu nutzen. Eine rein theoretische Möglichkeit reiche hierfür nicht aus. Auch das Gemeinwohlinteresse an der von der Kl. ausgeübten Tätigkeit rechtfertige keine andere Beurteilung. Eine diesbezügliche Steuerfreiheit komme nur aufgrund eines elementaren Gemeinwohlinteresses, wie es zB bei der Erteilung von Schwimmunterricht bestehe, in Betracht. Der Tangotanz sei dem nicht vergleichbar.

Praxishinweis

Der BFH hat in dem Besprechungsurteil die Umsatzsteuerbefreiung für erbrachte Leistungen einer Tanzlehrerin verneint, da die Voraussetzungen von Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL nicht erfüllt seien. Dabei hat er maßgeblich auf die Abgrenzung zwischen beruflicher Aus- und Fortbildung und bloßer Freizeitgestaltung abgestellt. Danach muss der erforderliche berufliche Nutzen der Kursteilnehmer tatsächlich als realistische Möglichkeit vorliegen. Ein kontinuierlicher Aufbau des Kursangebots und der vermittelten Fertigkeiten genügt hierfür ebenso wenig wie das Vorliegen eines besonders anspruchsvollen Unterrichtsinhalts (hier: Tango-Argentino). Hinzutreten muss stets die realistische Möglichkeit, die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten für eine berufliche Tätigkeit zu nutzen. Trotz des naheliegenden Vergleichs des Tangotanzes zum Balletttanz (BFH v. 24.1.2008 – BFH Aktenzeichen VR305 V R 3/05, DStR 2008, DSTR Jahr 2008 Seite 919) hat der BFH im Besprechungsfall eine Steuerfreiheit verneint, da nur eine theoretische Möglichkeit des beruflichen Nutzens für die Teilnehmer des Tango-Kurses besteht.

Darüber hinaus hat der EuGH mit einem aktuellen Urteil erhöhte Anforderungen an den begünstigten „Schul- und Hochschulunterricht“ gestellt (EuGH v. 14.3.2019 – EUGH Aktenzeichen C44917 C-449/17, DStR 2019, DSTR Jahr 2019 Seite 620 mAnm MüllerA & G Fahrschul-Akademie GmbH, Bespr. van Lück DStRK 2019, DSTRK Jahr 2019 Seite 118). Unterrichtskonzepte, die einen zu hohen Spezialisierungsgrad aufweisen und nicht auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum an Unterrichtsstoffen ausgerichtet sind (zB Fahrschulen, Tanz- und Fitnesskurse, Kampfsportschulen), dürften sich zukünftig einer weiteren Hürde zur Erlangung einer Umsatzsteuerbefreiung gegenübersehen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechungsentwicklung scheint es ratsam zu prüfen, inwiefern die Voraussetzungen der Anerkennung als Einrichtung iSv § USTG § 4 Nr. USTG § 4 Nummer 21 UStG vorliegen oder ob eine Bescheinigung der Landesbehörde erlangt werden kann. Die bloße Bestätigung eines Kursangebots reicht hierzu – wie der Senat im Besprechungsurteil ausführt – nicht aus.