Elfriede Maria Dießl

Steuerberaterin

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22.07.2019

Pflanzenlieferungen für eine Gartenanlage als Teil einer einheitlichen Leistung

FGO § FGO § 118 Abs. FGO § 118 Absatz 2; UStG § USTG § 2 Abs. USTG § 2 Absatz 2 Nr. USTG § 2 Absatz 2 Nummer 2, § USTG § 3 Abs. USTG § 3 Absatz 1, Abs. USTG § 3 Absatz 9, § USTG § 12 Abs. USTG § 12 Absatz 2 Nr. USTG § 12 Absatz 2 Nummer 1; MwStSystRL Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 14 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 14 Absatz 1, Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 24 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 24 Absatz 1

Die Lieferung von Pflanzen bildet mit den damit im Zusammenhang stehenden Gartenbauarbeiten eine einheitliche komplexe Leistung, wenn auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts etwas selbständiges Drittes (Gartenanlage) geschaffen wird.

BFH, Urt. v. 14.2.2019 – V R 22/17

Sachverhalt

Der Kläger (Kl.) ist Einzelunternehmer und Organträger einer GmbH, die Garten- und Landschaftsbau betreibt (GL-GmbH). Diese hatte im Juni 2009 mit der F-GmbH (F) für das Bauvorhaben „X-Gärten“ die Durchführung sämtlicher Leistungen des Gewerkes „Garten- und Landschaftsbau“ gegen eine Pauschalvergütung zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Im Preis nicht enthalten war die Lieferung der einzusetzenden Pflanzen, diese sollten vom Bauherrn F zur Verfügung gestellt werden. Nachdem die F-GmbH die Pflanzen nicht beschaffen konnte, erteilte sie in einer Zusatzvereinbarung der GL-GmbH den Auftrag auch die Pflanzen zu beschaffen, diese einzusetzen und das Anwachsen zu überwachen. Laut Schlussrechnung der GL-GmbH entfielen auf die Pflanzenlieferungen 129.060 €, auf die der ermäßigte Steuersatz von 7 % angewandt wurde. Nach einer Betriebsprüfung vertrat das FA die Ansicht, die Pflanzenlieferungen seien als Bestandteil einer einheitlichen Leistung dem Regelsteuersatz zu unterwerfen. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der hiergegen gerichteten Klage statt.

Entscheidung

Die Revision des FA war begründet und führte zur Abweisung der Klage. Zu Unrecht sei das FG von getrennten Leistungen ausgegangen. Die Lieferung der Pflanzen habe zusammen mit den Gartenarbeiten eine einheitliche, dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung gebildet.

Durch die Kombination der Pflanzenlieferungen (Büsche, Sträucher, Bäume, Rasen) mit den Gartenbauarbeiten sei eine komplexe Leistung und damit etwas Eigenständiges Neues (Drittes) geschaffen worden, hinter das die Pflanzenlieferungen und Gartenbauarbeiten zurückgetreten seien. Im Streitfall seien die einzelnen Liefer- und Leistungselemente so eng miteinander verknüpft, dass eine Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Für den untrennbaren Zusammenhang spreche auch, dass die GL-GmbH die Gewährleistung für das An- und Weiterwachsen der Pflanzen übernommen habe. Dem Leistungsempfänger sei es gerade um die Verbindung beider Elemente zu einer funktionsfähigen Gesamtanlage gegangen. Dies habe das FG nicht berücksichtigt.

Praxishinweis

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung (ua EuGH v. 10.3.2011 – EUGH Aktenzeichen C49709 C-497/09, Manfred Bog, EUGH Aktenzeichen C-499/09, CinemaxX Entertainment GmbH & Co. KG, EUGH Aktenzeichen C-501/09, Lothar Lohmeyer und EUGH Aktenzeichen C-502/09, Fleischerei Nier GmbH & Co. KG, DStR 2011, DSTR Jahr 2011 Seite 515, Bespr. Spahic SteuK 2011, STEUK Jahr 2011 Seite 173), der sich der BFH angeschlossen hat, ist in den beiden folgenden Fallgruppen von einer einheitlichen Leistung auszugehen, wenn:

·         1. eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

·         2. zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Der BFH ist im Besprechungsurteil vom Vorliegen der zweiten Variante ausgegangen. Dabei ist nicht entscheidend, ob Auftraggeber und Auftragnehmer die Vereinbarungen in einem Vertrag oder in zwei getrennten Verträgen treffen (vgl. BFH v. 19.3.2009 – BFH Aktenzeichen VR5007 V R 50/07, DStR 2009, DSTR Jahr 2009 Seite 1364 Rn. DSTR Jahr 2009 Seite 1364 Randnummer 24).

Für die Abgrenzung von einheitlicher Leistung zu getrennten Leistungen kommt es somit darauf an, ob sich die jeweiligen Leistungen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt als Haupt- und Nebenleistung oder als komplexe Leistung darstellen.

Im vorliegenden Fall war die Pflanzenlieferung zwar keine (untergeordnete) Nebenleistung zu den Gartenbauarbeiten als Hauptleistung. Es lag jedoch eine einheitliche Leistung in Form einer komplexen Leistung vor, hinter die die Pflanzenlieferungen und die Gartenbauarbeiten zurücktraten. Das FG hatte nicht berücksichtigt, dass das Interesse des Leistungsempfängers auf die Erstellung einer fertigen Gartenanlage und damit eines einheitlichen Werkes gerichtet war, hinter das die einzelnen Lieferungen und Dienstleistungen zurücktraten.