Elfriede Maria Dießl

Steuerberaterin

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22.07.2019

EuGH-Vorlage zur Steuerfreiheit von Schwimmunterricht

UStG § USTG § 4 Nr. USTG § 4 Nummer 21 u. USTG § 22; MwStSystRL Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. i u. j

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.Umfasst der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts iSd Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. i und j MwStSystRL auch die Erteilung von Schwimmunterricht?

2.Kann sich die Anerkennung einer Einrichtung iSv Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. i MwStSystRL als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit den Aufgaben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, des Schul- und Hochschulunterrichts, der Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung betraut sind, daraus ergeben, dass es sich bei dem von dieser Einrichtung erteilten Unterricht um die Erlernung einer elementaren Grundfähigkeit (hier: Schwimmen) handelt?

3.Bei Verneinung der zweiten Frage: Setzt die Steuerfreiheit nach Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL voraus, dass der Steuerpflichtige Einzelunternehmer ist?

BFH, Beschl. v. 27.3.2019 – V R 32/18

Sachverhalt

Die Klägerin (Kl.), eine GbR, betreibt eine Schwimmschule. Ihr Angebot umfasste im Wesentlichen Anfänger- und Fortgeschrittenen-Schwimmkurse für Kinder. Sie behandelte ihre Leistungen umsatzsteuerfrei. Dem folgte das FA nicht und unterwarf die Leistungen der Umsatzsteuer. Der Einspruch der Kl. blieb ohne Erfolg. Das FG verneinte zwar ebenfalls eine Steuerfreiheit nach nationalem Recht, gestand der Kl. aber eine unmittelbare Berufung auf Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL zu. Die Regelung sei nicht nur auf Einzelunternehmer als Privatlehrer, sondern auch auf eine GbR anwendbar. Hiergegen wandte sich das FA mit seiner Revision.

Entscheidung

Der BFH teilt die Auffassung des FG, wonach es sich bei Schwimmunterricht um begünstigten Unterricht iSd MwStSystRL handle, da hierdurch eine elementare Grundfähigkeit vermittelt werde. Ein schädlicher Freizeitcharakter scheide aus. Dem stehe auch die EuGH-Rechtsprechung zu Fahrschulen nicht entgegen (EuGH v. 14.3.2019 – EUGH Aktenzeichen C44917 C-449/17, DStR 2019, DSTR Jahr 2019 Seite 620 mAnm MüllerA & G Fahrschul-Akademie GmbH, Bespr. van Lück DStRK 2019, DSTRK Jahr 2019 Seite 118). Jedoch sei in der Rechtsprechung des EuGH offen geblieben, welche Kriterien für die Anerkennung einer Einrichtung als vergleichbare Einrichtung iSd Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. i MwStSystRL erforderlich seien. Der Senat tendiere dazu, die Kriterien aus der Steuerbefreiung im Sozialbereich heranzuziehen und auf das Gemeinwohlinteresse abzustellen. Dieses Interesse sei bei Schwimmunterricht als Vermittlung elementarer Grundfähigkeiten gegeben. Offen bleibe in der Rechtsprechung des EuGH zudem, inwiefern Unternehmer, die keine Einzelunternehmer sind, Privatlehrer iSd Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL sein könnten. Der Neutralitätsgrundsatz könne allerdings eine gleiche Behandlung von natürlichen Personen und anderen Unternehmern gebieten.

Praxishinweis

Der BFH entschied bereits mit Urteil v. 5.6.2014 (BFH Aktenzeichen VR1913 V R 19/13, DStRE 2014, DSTRE Jahr 2014 Seite 1244 mAnm Heuermann), dass der an Kleinkinder erteilte Schwimmunterricht zwar nicht nach nationalem Recht, jedoch unter unmittelbarer Berufung auf Art. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Abs. EWG_RL_2006_112 Artikel 132 Absatz 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein kann. Dem folgten auch die Finanzgerichte (so ua FG Münster v. 15.8.2017 – FGMUENSTER Aktenzeichen 15K268914U 15 K 2689/14 U, DStRE 2018, DSTRE Jahr 2018 Seite 1306; FG Baden-Württemberg v. 14.6.2018 – FGBADENWUERTTEMBERG Aktenzeichen 1K322615 1 K 3226/15, BeckRS 2018, BECKRS Jahr 15560). Eine bloße Freizeitgestaltung führt jedoch zur Steuerpflicht (s. auch BFH v. 24.1.2019 – BFH Aktenzeichen VR6617 V R 66/17, NV, MwStR 2019, MWSTR Jahr 2019 Seite 413 mAnm de Weerth, Bespr. van Lück DStRK 2019, DSTRK Jahr 2019 Seite 158, in diesem Heft).

Die weiteren Vorlagefragen erinnern an die Vorlage des BFH v. 16.3.2017 (BFH Aktenzeichen VR3816 V R 38/16, DStR 2017, DSTR Jahr 2017 Seite 1655, Bespr. Trinks DStRK 2017, DSTRK Jahr 2017 Seite 273) zur Steuerbefreiung von Fahrunterricht einer Fahrschule. Bereits hier fragte der BFH beim EuGH an, wann eine Einrichtung eine vergleichbare Zielsetzung verfolge, ob auf das Gemeinwohlinteresse abzustellen sei und ob ein Privatlehrer zwingend Einzelunternehmer sein müsse, um sich auf die Steuerbefreiung berufen zu können. Der EuGH musste diese Fragen jedoch nicht beantworten, da er bereits die Eignung des Fahrunterrichts als begünstigten Unterricht verneinte (Urt. v. 14.3.2019 – EUGH Aktenzeichen C44917 C-449/17, DStR 2019, DSTR Jahr 2019 Seite 620 mAnm MüllerA & G Fahrschul-Akademie GmbH, Bespr. van Lück DStRK 2019, DSTRK Jahr 2019 Seite 118).

Nun hat der EuGH erneut die Gelegenheit, zu den genannten Fragen Stellung zu nehmen. Der Generalanwalt Szpunar plädierte in der Rs. EUGH Aktenzeichen C-449/17 (DStR 2019, DSTR Jahr 2019 Seite 620) dafür, nur natürlichen Personen eine Privatlehrereignung zuzuerkennen (Schlussantrag v. 3.10.2018, MwStR 2018, MWSTR Jahr 2018 Seite 1064 mAnm Müller). Es bleibt abzuwarten, welchen Weg der EuGH hier einschlagen wird. Zumindest hinsichtlich der Eignung der Basisschwimmkurse als begünstigter Unterricht scheinen die Erfolgsaussichten im Gegensatz zu Fahrunterricht mE mit den Argumenten des BFH günstiger, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH nun zu diesen Fragen Stellung nehmen muss größer ist. Ähnliche Fragen liegen dem EuGH zudem aufgrund einer Vorlage des FG Hamburg v. 14.12.2018 (FGHAMBURG Aktenzeichen 6K18717 6 K 187/17, DStRE 2019, DSTRE Jahr 2019 Seite 302, Bespr. Becker DStRK 2019, DSTRK Jahr 2019 Seite 91, Az. EuGH: EUGH Aktenzeichen C-47/19) hinsichtlich der Steuerbefreiung von Surf- und Segelschulen vor.