Elfriede Maria Dießl

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13.05.2016

Kein Abzug für ein gemischt genutztes häusliches Arbeitszimmer

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich für betrieb­liche/berufliche Zwecke genutzt wird. (Leits. n. amtl.)

BFH, Urt. v. 16.2.2016 – IX R 23/12 (NV)
Vorinstanz: Niedersächsisches FG v. 24.4.2012 – FGNIEDERSACHSEN Aktenzeichen 8K25411 8 K 254/11, DStRE 2013, DSTRE Jahr 2013 Seite 849

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen FG v. 24.4.2012 – FGNIEDERSACHSEN Aktenzeichen 8K25411 8 K 254/11, DStRE 2013, DSTRE Jahr 2013 Seite 849 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Sachverhalt:

[1] I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewohnte im Streitjahr 2006 mit seiner Ehefrau ein beiden Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus. Er erklärte für das Streitjahr aus der Vermietung mehrerer Objekte Mieteinnahmen iHv insgesamt 94.047 € und Werbungskosten iHv insgesamt 99.852 €.

[2] Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 machte der Kläger erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in dem Einfamilienhaus iHv 804 € bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, weil das Zimmer den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit – der Vermietung von Immobilienobjekten – bilde. Dabei verwies der Kläger auf einen „Tätigkeitsbericht“ über die Arbeiten, die er in diesem Raum verrichtet habe, sowie auf Fotos ua eines Schreibtisches, diverser Büroschränke und Regale sowie diverser Leitzordner. Im Arbeitszimmer steht ein Computer.

[3] Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu.

[4] Das FG gab der Klage überwiegend statt und berücksichtigte in seinem in EFG 2012, EFG Jahr 2012 Seite 2100 = DStRE 2013, DSTRE Jahr 2013 Seite 849 veröffentlichten Urteil die geltend gemachten Aufwendungen für das Zimmer iHv 60 % der entstandenen Raumkosten als gemäß § ESTG § 9 Abs. ESTG § 9 Absatz 1 S. 1 EStG abziehbare Werbungskosten. Der Kläger könne 60 % seiner Aufwendungen (804 € x 60 % = 482 €) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzen, obwohl er den Raum zur Überzeugung des Senats nicht (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern jedenfalls auch zu 40 % privat genutzt habe. Eine berufliche Nutzung im Umfang von 60 % habe er indes nachgewiesen.

[5] Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung von § ESTG § 9 Abs. ESTG § 9 Absatz 5 S. 1 iVm § ESTG § 4Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6b S. 1 EStG rügt. § ESTG § 4 Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6b iVm § ESTG § 9 Abs. ESTG § 9 Absatz 5 S. 1 EStG sei eine Spezialnorm zur Abziehbarkeit der Raumkosten für ein „häusliches Arbeitszimmer“. Insoweit unterscheide sich der Fall des Arbeitszimmers von dem durch den Großen Senat des BFH v. 21.9.2009 – BFH Aktenzeichen GRS106 GrS 1/06 (BFHE 227, BFHE Band 227 Seite 1, BStBl. II 2010, BSTBL Jahr 2010 II Seite 672= DStR 2010, DSTR Jahr 2010 Seite 101, Anm. Glaser SteuK 2010, STEUK Jahr 2010 Seite 54) entschiedenen Fall, in dem der Abzug von Kosten (Reisekosten) zu beurteilen gewesen sei, für die das EStG keine besondere Regelung vorsehe. Eine Aufteilung gemischter Aufwendungen, wie sie die Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 227, BFHE Band 227 Seite 1, BStBl. II 2010, BSTBL Jahr 2010 II Seite 67 = DStR 2010, DSTR Jahr 2010 Seite 101, Anm. Glaser SteuK 2010, STEUK Jahr 2010 Seite 54ermögliche, sei ausgeschlossen.

[6] Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Einkommensteuer 2006 1.082 € betrage.

[7]Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

[8] Das BMF ist dem Verfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, § ESTG § 4 Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6bEStG sei eine von § ESTG § 12 Nr. ESTG § 12 Nummer 1 S. 2 EStG unabhängige, abschließende Regelung zur Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer. Nur durch das Merkmal der ausschließlichen betrieblichen/beruflichen Nutzung sei gewährleistet, dass das Arbeitszimmer vom privaten Bereich der Lebensführung hinreichend abgegrenzt werde. Auch Praktikabilitätserwägungen sprächen gegen eine Aufteilung der Aufwendungen.

[9] Der Senat hat die Rechtsfragen, ob der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraussetzt, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird und ob die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH in BFHE 227, BFHE Band 227 Seite 1, BStBl. II 2010, BSTBL Jahr 2010 II Seite 672 = DStR 2010, DSTR Jahr 2010 Seite 101 aufzuteilen sind, durch Beschluss v. 21.11.2013 – BFH Aktenzeichen IXR2312 IX R 23/12 (BFHE 243, BFHE Band 243 Seite 563, BStBl. II 2014, BSTBL Jahr 2014 II Seite 312 = DStR 2014, DSTR Jahr 2014 Seite 254) dem Großen Senat des BFH gemäß § FGO § 11 Abs. FGO § 11 Absatz 4 FGO zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat durch Beschluss v. 27.7.2015 – BFH Aktenzeichen GRS114 GrS 1/14 (BFHE 251, BFHE Band 251 Seite 408 = DStR 2016, DSTR Jahr 2016 Seite 210) entschieden, der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setze voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

Gründe:

[10 ]II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung (§ FGO § 126Abs. FGO § 126 Absatz 3 S. 1 Nr. FGO § 126 Nummer 1 FGO).

Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer

[11] 1. Gemäß § ESTG § 4 Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6b S. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ ESTG § 4 Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6b S. 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ ESTG § 4 Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6b S. 3 EStG). Dies gilt gemäß § ESTG § 9 Abs. ESTG § 9 Absatz 5 S. 1 EStG entsprechend für den Werbungskostenabzug.

Begriff des „häuslichen Arbeitszimmers“ setzt einen Raum voraus, der ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird, …

[12] Häusliches Arbeitszimmer iSd § ESTG § 4 Abs. ESTG § 4 Absatz 5 S. 1 Nr. ESTG § 4 Nummer 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird (BFH v. 27.7.2015 – BFH Aktenzeichen GRS114 GrS 1/14, BFHE 251, BFHE Band 251 Seite 408 Rn. BFHE Band 251 Seite 408 Randnummer 62 ff. = DStR 2016, DSTR Jahr 2016 Seite 210, 81). Auf die dortigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

… sodass ein Abzug anteiliger Aufwendungen für gemischt genutzte Zimmer ausscheidet

[13] 2. Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht – auch nicht anteilig – als Werbungskosten abziehbar.

[14] Unstreitig liegt zwar ein seiner Ausstattung nach der Einkünfteerzielung dienender Raum vor. Auch stand dem Kläger jedenfalls kein anderer Arbeitsplatz für seine Tätigkeit im Rahmen der Vermietung und Verpachtung zur Verfügung. Jedoch nutzte der Kläger den streitbefangenen Raum nicht (nahezu) ausschließlich für Vermietungszwecke, sondern auch zu 40 % zu privaten Zwecken.

[15] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § FGO § 135 Abs. FGO § 135 Absatz 1 FGO